homöopathie

Homöopathische Ärzte sollten für die Rettung der Zusatzbezeichnung vor das Bundesverfassungsgericht gehen, empfehlen die Bremer Ärzte / Ihre Klage haben sie am 10. Juli eingereicht / Interview mit Arzt Oliver Borrmann

Lange Zeit war es sehr still in ärztlichen homöopathischen Kreisen um das Thema Zusatzbezeichnung. Ein Bundesland nach dem anderen strich Homöopathie, ohne dass sich Widerstand bei den Ärzten rührte.

Seit 10. Juli jedoch dreht sich der Wind. Sechs Bremer Ärzte haben sich aufgemacht, die Verteidigung der Zusatzbezeichnung für Ärzte und Patienten in die Hand zu nehmen. An diesem Tag haben sie Klage gegen die Bremer Ärztekammer vor dem Oberverwaltungsgericht eingereicht. Nachdem ich im Homoeopathiewatchblog als erstes Medium am 29. Juni darüber berichtet habe (Link), sprach sich die Nachricht über die Klage wie ein Lauffeuer herum. Bis heute haben 29.000 Menschen den Artikel gelesen und 9.986 Menschen haben den Artikel auf ihrer Facebook-Seite weiterverbreitet.

Bei solch enormer Resonanz interessieren mich die Hintergründe. Daher bat ich den homöopathischen Arzt Oliver Borrmann – einen der sechs klagenden Bremer Ärzt*innen – im Interview um Informationen über die konkreten Absichten und Visionen der Ärzte.

Im Interview erläutert Oliver Borrmann, dass es bei der Klage um mehr geht als um die Zusatzbezeichnung – es geht um die Therapiefreiheit für alle Homöopathen und Patienten. Und er fordert andere homöopathische Ärzte auf, ebenfalls für die Zusatzbezeichnung den Klageweg einzuschlagen.

Organisiert haben sich die sechs Bremer Ärzt* innen im Forum Integrative MedizinerInnen Bremen (IMB). Zu ihnen gehören die homöopathischen Ärzt *innen Oliver Borrmann und Dr. Christina Brauer-Peters, der Arzt für Chinesische Medizin Frank Brazkiewicz, der Integrativmediziner Dr. Jürgen Fuchs, der Orthopäde Dr. Detlef Meier sowie der Internist und Psychotherapeut Dr. Jürgen Borchert.

Hier unser Interview:

Christian J. Becker: Sie haben am Freitag, 10. Juli, Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Bremen gegen die Ärztekammer eingereicht zum Thema der gestrichenen Zusatzbezeichnung für homöopathische Ärzte. Erklären Sie doch einmal den juristischen Laien, worum es dabei genau geht und warum Sie mit den Kolleg*innen klagen.

Borrmann
Foto: Oliver Borrmann

Oliver Borrmann: Am 9. September 2019 hat die Delegiertenversammlung der Bremer Ärztekammer mit der Begründung, dass die Homöopathie unwissenschaftlich sei, eine neue Weiterbildungsordnung für das Land Bremen beschlossen, in der der Erwerb der Zusatzbezeichnung Homöopathie mit Gültigkeit seit dem 1.7.2020 nicht mehr vorgesehen ist.

Das bedeutet für uns ärztliche Homöopathen in Bremen, dass junge Kollegen, die sich für Homöopathie interessieren, in Bremen keine homöopathisch Ausbildung mehr abschließen können. De facto bedeutet das: Wir sterben aus mangels Nachkommen. Da ist auch so gewollt. Es gibt in der Ärzteschaft im Gegensatz zur sonstigen Bevölkerung eine starke Gegnerschaft der Homöopathie.

Das ist nicht neu: Seit Erfindung und Etablierung der Homöopathie durch Dr. S. Chr. Hahnemann wurde die Homöopathie von ärztlichen Gegnern scharf angegriffen. Hahnemann forderte seine Widersacher auf, die Homöopathie auf Herz und Nieren zu prüfen und war bereit, seine gesamte Erfindung zu verwerfen, wenn sie sich als unhaltbar erweisen sollte. Tatsächlich traten einige damalige Ärzte diese Herausforderung an und wurden infolge ihrer intensiven Beschäftigung mit der Homöopathie ihre glühendsten Verfechter und große Homöopathen.

Diese intensive Beschäftigung mit der Homöopathie bleibt heutzutage aus. Man ruft in die Welt hinaus, dass die Homöopathie unwissenschaftlich sei, weil ja in den Kügelchen nichts drin sei, was wirken könne und ignoriert alle vorhandenen Studien (auch an Tieren und Zellkulturen), die das Gegenteil beweisen und fälscht sich zur Not auch noch ein paar Studien zurecht, bis man auf das Ergebnis kommt, das man haben möchte (bis heute munter zitiert wird die Studie des australischen NHMRC, die 2012 das „Ende der Homöopathie“ ausrief. Erst im August letzten Jahres gab man einen Teil der nachgewiesenen Wissenschaftsfälschung (nur 5 statt wie behauptet 176 untersuchten Studien) öffentlich – aber ungehört –  zu).

Prof. Drosten sagte in seinem letzten Podcast vor der Sommerpause, die Wissenschaft hat keine eigene Meinung – sie sammelt nur Fakten. Sich ohne intensive Beschäftigung mit der wissenschaftlichen Grundlage der Homöopathie hinzustellen und zu behaupten, die Homöopathie sei unwissenschaftlich ist tatsächlich ein unwissenschaftlicher Standpunkt, sprich Voreingenommenheit. Allein der Umstand, dass man selber Arzt und Delegierter der Ärztekammer ist, versetzt einen nicht in die Lage, ein solches Urteil ohne wissenschaftliche Expertise fällen zu können.

D.h. eine ärztliche Delegiertenversammlung kann kein Gremium sein, das über die Frage der Unwissenschaftlichkeit einer Therapieform entscheidet.

Das u.a. die Weiterbildung der Ärzte regelnde Bremer Heilberufsgesetz lässt in § 32 Abs.2 die Streichung bisher anerkannter Zusatzbezeichnungen zu, wenn die Voraussetzungen der ursprünglichen Anerkennung

  • Notwendigkeit zur Versorgung der Bevölkerung und

  • ausreichende wissenschaftliche Absicherung

nicht mehr vorliegen. Es wird also eine Situationsveränderung gefordert – und zwar in den fachlichen Erkenntnissen, nicht in den Mehrheiten in den Vertretungen der Ärzteschaft. Nichts davon liegt vor: Dass sich die Situation seit der Anerkennung dieser Zusatzbezeichnung (jedenfalls 1996, wahrscheinlich seit unvordenklicher Zeit) irgendwie zum Nachteil der Homöopathie geändert hätte, wird niemand behaupten können und auch die Bremer Ärztekammer behauptet derartiges nicht. An dem in der Bevölkerung bestehenden Bedarf an homöopathischen Dienstleistungen hat sich ebenfalls nichts geändert. Nach bekannten Umfragen wünschen 60 bis 80 % der Bevölkerung die Homöopathie (sowie andere naturheilkundliche Therapieformen) ausdrücklich als Therapiemöglichkeit.

Da seitens der Bremer Ärztekammer nicht einmal der Versuch unternommen wurde, die beiden o.g., für die Abschaffung einer Zusatzbezeichnung notwendigen Punkte, zu beweisen, rechnen wir in Bremen damit, dass das Oberverwaltungsgericht entscheiden wird, dass der Beschluss der neuen Weiterbildungsordnung zurückgenommen werden muss.

Das wollen wir erreichen! Und zwar nicht, wie oft behauptet wird, weil es unsere Lebensgrundlage gefährden würde (dem ist nicht so) oder unseren mit der Homöopathie angehäuften Reichtum gefährdet sehen ( den es nicht gibt ), sondern weil wir diese sanfte, nebenwirkungsarme und hoch erfolgreiche Therapiemöglichkeit für unsere Patienten erhalten wollen.

Darüber hinaus geht es in der Auseinandersetzung um die Homöopathie in zweiter Linie auch um die Anerkennung und Erstattung anderer, naturheilkundlicher Therapieformen, denen deutlich stiller im Hintergrund ebenfalls der Hahn zugedreht wird. Kürzlich wurde die Erstattung der kassenärztlichen Akupunkturleistung deutlich verringert statt erhöht. Unsere Bremer Ärzteliste „Integrative Medizin Bremen (IMB)“ setzt sich deshalb unabhängig von dieser Klage auch für den Erhalt anderer naturheilkundlicher Therapieformen ein.

Christian J. Becker: Sie sind die ersten Ärzte, die Klage einreichen, weil der ärztliche homöop. Beruf und die Homöopathie auch politisch immer mehr unter Druck gerät, was sich an der Streichung der Zusatzbezeichnung zeigt. Welche Resonanz erhalten Sie aus der der Ärzteschaft (homöopathisch und nicht-homöopathisch)und der Homöopathie-Community? Was empfehlen Sie weiteren homöopathischen Ärzten, die ebenfalls Klage einreichen wollen gegen die Streichung der Zusatzbezeichnung Homöopathie?

Oliver Borrmann: Wir kriegen viel positives Feedback sowie finanzielle Beteiligungen zur Kostendeckung unserer Klage von ärztlichen Kollegen – auch aus Niedersachsen und Hamburg, wo wir mit einigen KollegInnen in engerer Verbindung stehen.

Zu unserer anfänglichen Überraschung gab es große Zurückhaltung seitens des Landesverbandes Niedersachsen und unserer Bundesvorsitzenden, Fr. Dr. Geiger (Red. Anmerkung: 1. Vorsitzende des homöopathischen Arztvereins DZVHÄ), bzgl. unserem Wunsch, sich juristisch mit der Bremer Ärztekammer auseinanderzusetzen, obwohl wir sogar den Anwalt und die Klageschrift mitlieferten.

Fr. Geiger hat uns mehrfach erklärt, dass sie befürchtet, dass die Kollegen, gegen die wir nun juristisch vorgehen, nachher nicht mehr gesprächsbereit sein könnten und hat uns empfohlen, den „Gang durch die Instanzen“ anzutreten, was wir ja auch umgehend und erfolgreich umgesetzt haben. (Red. Anmerkung: die Organisation der Bremer Ärzte IMB ist mit einem Delegierten in der Kammerversammlung der Ärztekammer vertreten).

Das ist allerdings ein langer Weg und wird der aktuellen Situation nicht gerecht.

Meine Meinung ist, dass die Kollegen, die sich für eine „politische „ Lösung aussprechen, übersehen, dass wir zulassen, dass mittels Polemik und falscher Behauptungen und noch dazu auf juristisch unkorrekte Weise Fakten geschaffen werden, die unsere ärztliche Homöopathie untergraben – es geht ja offen kommuniziert um die Erstattung der Homöopathie und das Unverständnis, dass wir tatsächlich ein bis zwei Stunden für eine Anamnese und Fallauswertung aufwenden.

Außerdem wird übersehen, dass wir auch mit zwei oder drei Delegierten aus eigenen Reihen und ebenso vielen Sympathisanten keine Abstimmung gewinnen können.

Das Problem der Strittigkeit der Zusatzbezeichnung Homöopathie in den Ärztekammern können wir nur lösen, indem juristisch klar gestellt wird, dass eine Delegiertenversammlung kein geeignetes Gremium sein kann, das befugt ist, über die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie zu entscheiden.

Dafür wäre es gut, wenn Kollegen bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen (müssen), um eine Grundsatzentscheidung zu erwirken, dass Homöopathie als von einem wissenschaftlich ausgebildeten Arzt gewählte Behandlungsmethode im Sinne der Behandlungsfreiheit und des Pluralismus der Methodenvielfalt gültig sein und der Wunsch des Patientenvolkes nach dieser Therapiemethode in so großer Zahl beachtet werden und als notwendig angesehen werden muss.

Ohne ein solches Grundsatzurteil befürchte ich, dass lediglich weitere Abstimmungen zu unseren Ungunsten erfolgen werden. Daran ändert aber auch der „politische“ Weg nichts, weil wir bis zu dessen Wirksamkeit wahrscheinlich gar nicht mehr im Kassensystem existieren.

Und warum soll man eigentlich auf die Befindlichkeiten von Kollegen Rücksicht nehmen, die unsere vorsätzlich mit Füßen treten?

Und wieso sollten sich Kollegen, die mit uns sympathisieren, eigentlich von uns abwenden, weil wir uns wehren? Das könnten die ebensogut positiv bewerten.

Da wir in Bremen unserer Einschätzung nach in erster Instanz Recht zugesprochen bekommen werden, wäre uns der Gang vor das Verfassungsgericht gar nicht möglich. Es bedarf also des Engagements anderer Kollegen in anderen Ärztekammergebieten, auch den Klageweg zu beschreiten und die „Niederlage“ in erster und zweiter Instanz in Kauf zu nehmen, damit man dann an das BVG herantreten kann.

Dafür benötigt man natürlich Gelder, die die Kosten einer solchen Klage abdecken. Wir Bremer fundraisen (auch aktuell noch – Kostenbeteiligungen sind nach wie vor willkommen und werden bescheinigt!) auf eigene Faust, da wir keine Versicherungen haben, die eine solche Klage abdecken und es vom DZVhÄ auch kein Geld gibt.

Wir haben dafür eine BGB-Gesellschaft gegründet, deren Satzung regelt, dass das Geld ausschließlich für die Zwecke der Klage und die Arbeit der Gruppe IMB verwendet werden darf.

Sollten bei uns mehr Gelder als benötigt eingehen, können wir u.U. Kollegen in anderen Bundesländern damit bei ihrer Klage noch unterstützen.

Bankverbindung für die Kostenbeteiligung:
Oliver Borrmann
Apobank
IBAN DE47 3006 0601 0507 5614 15
Verwendungszweck: Musterklage IMB, Kostenbeteiligung

Empfehlen möchte ich hier nur eines: Wenn der Gang an die Gerichte angetreten wird, sollte man sich kompetente anwaltliche Unterstützung dazu holen und das nicht auf eigene Faust versuchen – die juristische Argumentation muss in jedem Ärztekammergebiet an die jeweilige Rechtsgrundlage und die dortigen Geschehnisse angepasst werden.

Wir Bremer haben das Glück, einen hervorragenden Anwalt aufgrund familiärer Verwandtschaft an unserer Seite zu haben.

Interessierte Kollegen können sich gerne an uns wenden und diese Möglichkeit ebenfalls in Anspruch nehmen – darauf sind wir vorbereitet.

Christian J. Becker: Wie kann die Homöopathie-Community Sie und das Forum unterstützen?

Oliver Borrmann: Wie schon unter Punkt zwei genannt, sind finanzielle Zuwendungen hilfreich.

Wir sehen uns in der Lage, das juristische Vorgehen in den betroffenen Ärztekammergebieten anwaltlich zu unterstützen. Hilfreich in unserem Sinne ist es, wenn sich weitere Kollegen zusammenschließen und auch den Klageweg einschlagen wie oben schon beschrieben.

Darüber hinaus hat die Vernetzung von gleichgesinnten Kollegen und die Öffentlichkeitsarbeit große Priorität. Aber auch ein gewisses Limit: Wir können mit unseren insgesamt sechs Bremer Mitgliedern natürlich nicht die Arbeit eines Bundesverbandes leisten. Man muss sehen, wie weit das ganze privat neben der Praxistätigkeit leistbar ist und dann eigene regionale Strukturen schaffen, die diese Arbeit fortsetzen.

Wünschenswert wäre aus meiner Sicht, wenn wir uns in den Landesvorständen und auf Bundesebene mehrheitlich doch auf unsere Bremer Linie einigen könnten. Zusammen können wir immer mehr erreichen als es einzelne können. Ich halte es für wünschenswert, den Weg durch die Instanzen, das diplomatische Vernetzen als auch das aktive und selbstbewusste Abgrenzen zu vereinen. Wenn wir ausschließlich auf eine Karte setzen, nutzen wir die Möglichkeiten der Vielfalt und die Kompetenzen unserer Mitglieder nicht in vollem Umfange. Vielleicht bräuchten wir auch so etwas wie ein „Exekutivkomitee“ im DZVhÄ.


Foto: IMB

 

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