Viele, die in der Homöopathie unterwegs sind, lesen den Antrag des Grünen-Vorstands zur GKV-Erstattung (Link zum Antrag) und atmen erst einmal durch. Die Sprache klingt weich, fast technokratisch. Kein Angriff, kein großer Knall. Genau das ist der Punkt. Wenn Politik unangenehme Eingriffe plant, wird die Sprache glatter. Wer genau hinsieht, erkennt: Der Antrag ist kein Kompromiss, sondern die Vorbereitung auf harte Einschnitte. Nur eben verpackt in Formulierungen, die beruhigen sollen.
Politischer Euphemismus funktioniert simpel. Man ersetzt ein klares Wort durch ein freundlicheres. Aus „abschaffen“ wird „verändern“. Aus „Privileg streichen“ wird „neu ordnen“. So wirkt ein drastischer Schritt wie ein kleiner Eingriff. Deshalb lohnt es sich, die Formulierungen des Antrags einmal auseinanderzunehmen und das zu benennen, was wirklich gemeint ist. Wer solche Prozesse kennt, erkennt das Muster. Die Wortwahl ist weich, die Maßnahmen sind hart. In der öffentlichen Kommunikation wirkt das alles nach Technik und Verwaltung. Für die Praxis hätte es aber massive Folgen.
Viele in der Homöopathie-Verbands-Szene lassen sich gerade von dieser Wortwahl täuschen. Der Nachteil: Weil diese homöopathischen Verbände sich täuschen lassen, aktivieren sie auch ihre Mitglieder nicht, sich an Briefaktionen zu beteiligen.
Wenn die Homöopathie-Gemeinschaft jetzt nur auf den Tonfall schaut und nicht auf den Inhalt, wird sie überrascht werden. Der Antrag des Grünen-Vorstands ist kein moderater Kompromiss. Er ist ein Fahrplan für die Abschaffung zentraler Grundlagen der homöopathischen Versorgung. Verpackt in Sprache, die so glatt ist, dass viele gar nicht merken, wie viel dahintersteckt.
Als Journalist im Bereich Gesundheitspolitik entschlüssele ich seit 30 Jahren solche Anträge auf Parteitagen und weise auf den wahren Kern hinter den Fassaden hin. Wenn man die Schichten der politischen Wohlfühlsprache abzieht, bleibt Folgendes vom Vorstands-Antrag übrig:
1. Gesundheitsberufe sollen künftig vor Homöopathie warnen
Im Antrag steht, sie sollen „aufklären“, wann Patienten Homöopathie nicht nutzen sollten. Das klingt harmlos. Gemeint ist, dass Ärztinnen und Heilberufe aktiv von Homöopathie abraten sollen. Eine Art neue Pflicht zur Distanzierung.
2. Homöopathie fliegt aus den Satzungsleistungen der gesetzlichen Kassen
Das wird elegant formuliert als „nicht mehr freiwillig erstattungsfähig“. Der Effekt ist klar: Die bisherige Erstattung endet. Übrig bleiben Wahltarife, die im Grunde von den Nutzerinnen und Nutzern selbst finanziert werden. Diese Konstruktionen sind juristisch wackelig und halten erfahrungsgemäß nicht lange.
3. Der Binnenkonsens wird gestrichen – auch wenn im Antrag nur von „verändern“ die Rede ist
Das ist der entscheidende Punkt. Wenn der Binnenkonsens fällt, fallen auch Apothekenpflicht und Arzneimittelstatus. Und zwar nicht nur für Homöopathie, sondern auch für die anthroposophische Medizin und Teile der Phytotherapie. „Verändern“ klingt nach Feinjustierung. Tatsächlich geht es um das Ende eines ganzen regulatorischen Rahmens.
4. Die Entscheidung darüber trifft eine Fachkommission, die überwiegend aus Homöopathie-Gegnern besteht
Im Antrag wird das als sachorientierter Prozess präsentiert. Die beteiligten Institutionen – etwa IQWiG oder Ärztekammern – gehören seit Jahren zu den schärfsten Kritikern der Homöopathie. Vertreter aus homöopathischen Fachverbänden dürfen zwar teilnehmen, sitzen aber an einem Tisch, an dem die Richtung längst feststeht: Sie sollen bei der eigenen Demontage mitwirken.

