In den letzten Tagen haben Medien wie Spiegel und Standard berichtet, dass die Fachzeitschrift The Oncologist die Studie über Homöopathie bei einer bestimmten Krebserkrankung von Univ.-Prof. Dr. Michael Frass überraschenderweise zurückgezogen hat. Fast überall las man nur die Sicht der Skeptiker. Prof. Frass konnte in keinem dieser Beiträge seine Sicht als Forscher in einem Interview darstellen. Die genannten Medien nutzen auch ganz offen propagandistische Quellen der Skeptiker und verlinkten auf sie.
Zu Wort kam in den genannten Medien nur ein Homöopathie-Gegner, den seine Uni in England nach einem Disziplinarverfahren nicht mehr beschäftigt hat. Als Lehrstuhl-Inhaber zum Thema Komplementärmedizin hatte er Prinz Charles, den heutigen König von England, einen „Schlangenöl-Verkäufer“ genannt. Dies wirkte wie eine Bewerbung bei der Anti-Homöopathie-Lobby.
Der Homoeopathiewatchblog macht das anders als die beiden genannten Medien. Ich arbeite nach sauberen journalistischen Kriterien nach dem angelsächsischen Prinzip: alle Seiten hören, dem Leser alle Informationen zur Verfügung stellen, damit der Leser sich selbst ein Bild machen kann. Ich spreche seit Jahren mit Prof. Frass über die Angriffe auf seine Arbeit – 2022, 2023 und 2024 –, und ich tu es auch diesmal. Als einziges Medium gebe ich Prof. Frass jetzt die Gelegenheit, die Vorgänge ausführlich aus seiner Sicht zu schildern.
Noch 2024 hatte The Oncologist die Daten seiner Studie bestätigt. Umso überraschender ist es, dass die Zeitschrift nun – ein Jahr später – doch auf Druck der Kritiker eingeknickt ist. Wichtig ist auch: Der Rückzug geschieht nicht wegen Datenmanipulation oder ethischer Verstöße. Er geschieht wegen methodischer Interpretation. Das ist ein entscheidender Unterschied. Viel von der aktuellen Berichterstattung erweckt den Eindruck, als sei ein schwerer wissenschaftlicher Fehler entdeckt worden. Das ist nicht der Fall.
Damit Sie sich selbst ein Bild machen können, dokumentiere ich das Interview unverändert und vollständig. Unter dem Interview können Sie lesen, wie ich als Journalist und Aktivist für die Homöopathie den Fall einordne.
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Michael Frass
(Fragen: Christian J. Becker, Homoeopathiewatchblog; Antworten unverändert wiedergegeben.)
1. Nun hat der Oncologist Ihre Studie doch zurückgezogen. Wir wurde Ihnen das gegenüber kommuniziert?
Nachdem die Gültigkeit unserer Daten im September 2024 bestätigt worden war, erhielt ich zu meiner Überraschung am 29. Juli 2025,
mitten im Urlaub eine unauffällige E-Mail (Betreff: Bitte um Klarstellung – Antwort bis zum 1. August erforderlich – „Univ.-Prof.
Dr. Michael Frass (office (at) ordination-frass.at) – 2025-07-29 2217.eml).
Ich wurde gebeten, innerhalb von 3 (drei!) Tagen zu antworten, da der Artikel sonst zurückgezogen würde. Ich antwortete innerhalb von 2 Tagen und bat darum, das nächste Mal über WhatsApp benachrichtigt zu werden. Bis heute verstehe ich nicht, was mit „einarmiger Studie” gemeint ist, da ich als Kliniker immer 2 Gruppen vergleiche. Ich war auch überrascht über die Frage nach der Verwendung von homöopathischen Arzneimitteln (HMPs) in meiner Privatpraxis.
Auch nach dem Versenden einer weiteren E-Mail erhielt ich etwa 2,5 Monate lang keine Antwort. Plötzlich erhielt ich eine E-Mail vom 24. Oktober 2025, in der mir mitgeteilt wurde, dass die Rücknahme nun bestätigt worden sei. Als Grund wurde angegeben, dass die Studie aufgrund ihres individualisierenden Charakters möglicherweise nicht reproduzierbar sei. Natürlich wäre sie das, da mehrere hundert österreichische Ärzte UND Studenten in klassischer Homöopathie ausgebildet worden waren. Der 2. Grund für den Rückzug, ich hätte HMPs vermarktet, trifft schlicht und einfach nicht zu. Die Annahme, dass bei einem Preis von etwa 15 € pro Fläschchen ein Interessenkonflikt besteht, erscheint lächerlich. Weder ich noch einer der Mitautoren hat jemals Fördermittel von der Apotheke erhalten, die die HMPs herstellt.
Wir sind überrascht, dass ein zweiter Angriff möglich war, nachdem die Gültigkeit der Daten bestätigt worden war. In Gerichtsverfahren gilt Folgendes: Wenn ein Angeklagter freigesprochen wurde, kann der Fall ohne schwerwiegende Gründe nicht wieder aufgerollt werden.
2. Wie bewerten Sie als Wissenschaftler den Rückzug von Oncologist?
Als Wissenschaftler ist für mich nicht erklärbar, dass aus Gründen der möglichen Nichtreproduzierbarkeit der Daten wegen der Individualisierung eine Studie zurückgezogen wird. Ausgebildete HomöopathInnen können das. Die Studie selbst ist fälschungssicher, das 5 – stufige Kontrollsystem erlaubt keine Manipulation. Zur Entschuldigung der KritikerInnen muss man anmerken, dass dieses Topdesign mit dem computergestützten Randomisierungsprogramm noch weitgehend unbekannt ist. Die Studie hat sehr viele Qualitätsmerkmale, die sie von vielen ähnlichen Studien abheben.
3. Wie ist es aus Ihrer Sicht dazu gekommen? Welchen Einfluss hatte Ihrer Meinung nach die Gruppe der Skeptiker, die Druck auf den Oncologist ausgeübt haben?
Ich vermute, das die SkeptikerInnen eine große Rolle gespielt haben. Es ist erstaunlich, dass der mögliche Vorteil für die PatientInnen nicht überzeugt hat.
4. Wie werden Sie als Wissenschaftler mit dem Rückzug von Oncologist umgehen?
Als Wissenschaftler bin ich gewohnt, mit allen Angriffen sachlich umzugehen. Das Wohl der PatientInnen entsprechend dem Leitsatz beim Eingang zum AKH Wien ist mir Vorbild: „Zum Heil und Trost der Kranken“. Da nehme ich solche Attacken gerne in Angriff. Es ist schön, wenn viele PatientInnen mit und ohne Krebs eine verbesserte Lebensqualität
und ein deutlich besseres Überleben als vorhergesagt genießen dürfen.
Analyse: Was der Fall „Frass vs. Oncologist“ wirklich zeigt
Der Rückzug der Studie kommt zu einem Zeitpunkt, in dem das Klima gegenüber komplementärmedizinischen Verfahren ohnehin angespannt ist. Die Vorgeschichte macht den Schritt aber besonders bemerkenswert. Die Daten waren schon 2024 offiziell geprüft und als gültig bestätigt worden. Genau das war damals ein starkes Signal: Die Zeitschrift zeigte, dass sie sich nicht ohne Weiteres von Kampagnen beeinflussen lässt.
Dass The Oncologist ein Jahr später dennoch einknickt, ist deshalb schwer nachvollziehbar. Die offizielle Begründung – Individualisierung erschwere die Reproduzierbarkeit – ist ein alter Vorwurf, der aus Unkenntnis der homöopathischen Methodik entsteht. Wer sich wissenschaftlich mit Homöopathie beschäftigt, weiß, dass Individualisierung kein Mangel ist. Reproduzierbarkeit entsteht nicht durch identische Mittel, sondern durch identische Vorgehensweisen. Genau das wurde über Jahre an österreichischen Universitäten gelehrt.
Auch der Ablauf der Kommunikation wirft Fragen auf. Eine E-Mail mitten im Sommerurlaub. Eine Antwortfrist von drei Tagen. Danach zweieinhalb Monate Funkstille. Und dann der Rückzug. In der wissenschaftlichen Welt ist das ungewöhnlich. Transparenz sieht anders aus.
Wie bereits oben erwähnt: Der Rückzug geschieht nicht wegen Datenmanipulation oder ethischer Verstöße. Er geschieht wegen methodischer Interpretation. Das ist ein entscheidender Unterschied. Viel von der aktuellen Berichterstattung erweckt den Eindruck, als sei ein schwerer wissenschaftlicher Fehler entdeckt worden. Das ist nicht der Fall.
Die Rolle der Skeptiker
Seit Jahren gibt es eine gut vernetzte Szene, die homöopathische Forschung angreift. Die Frass-Studie war eines der zentralen Ziele. Der Rückzug liefert die Schlagzeile, die viele in dieser Szene seit Langem gesucht haben. Dass die Daten zuvor bestätigt wurden und die Studie überdurchschnittliche Qualitätsmerkmale hat, spielt dort keine Rolle. Es geht um Narrative, nicht um wissenschaftliche Differenzierung.
Das Schweigen anderer Medien
Auffällig ist, wie einseitig die Medien berichten. Praktisch niemand hat Prof. Frass selbst befragt. Dass ein Forscher persönlich attackiert wird, ohne zur Stellungnahme eingeladen zu werden, ist ungewöhnlich.
Der Homoeopathiewatchblog ist derzeit das einzige Medium, das seine Sicht vollständig dokumentiert. Das ist kein Hinweis auf Verschwörungen, sondern eher auf journalistisch unsauberes Arbeiten vieler Medien. In diesem Thema folgen viele Redaktionen reflexhaft dem lautesten Netzwerk – und das sind im Moment die Skeptiker.
Wissenschaftliche Konsequenzen
Die Frage für die Wissenschaft ist nicht, ob diese Homöopathie gut findet. Die Frage ist, ob wissenschaftliche Standards für alle gelten. Wenn eine peer-reviewte, geprüfte Studie erst bestätigt und später auf Basis interpretierbarer Argumente erneut angegriffen und zurückgezogen wird, entsteht ein schwieriges Signal an Forschende in sensiblen Bereichen.
Hier geht es auch um Patienten. Unsicherheiten, die durch wissenschaftspolitische Auseinandersetzungen entstehen, treffen am Ende die Menschen, die Unterstützung brauchen.
Was bleibt
• Der Fall zeigt, wie verwundbar wissenschaftliche Publikationen bei organisiertem Druck werden.
• Der Kommunikationsablauf des Journals wirft Fragen auf und gehört transparent aufgeklärt.
• Die mediale Darstellung ist einseitig und blenden die Sicht des Forschers fast vollständig aus.
• Die Debatte dreht sich stärker um Weltanschauungen als um Daten.
• Umso wichtiger ist es, Stimmen wie die von Prof. Frass vollständig zu dokumentieren.
Der Homoeopathiewatchblog tut das – wie schon in den vergangenen Jahren – und stellt damit sicher, dass auch die Seite des Forschers sichtbar bleibt.

