Auf dem Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen im November steht ein Antrag zur Abstimmung, der einem gesundheitspolitischen Irrweg gleichkommt: Der Antrag will, dass Homöopathie nicht länger von Krankenkassen erstattet, aus Apotheken verbannt und als Arzneimittel verboten wird. Um gegen diesen Tabubruch und Irrweg zu protestieren, habe ich einen offener Brief an den Bundesvorstand der Grünen geschrieben, der Sie hier im Homoeopathiewatchblog.de lesen können. Ich lege mit sechs belegten Argumenten dar, warum der Antrag ein politischer und wissenschaftlicher Irrweg ist.
Der Brief zeigt: Die Argumentation der Antragsteller beruht auf veralteten und selektiven Quellen. Neue Meta-Analysen belegen positive Wirkungen der Homöopathie, Versorgungsstudien zeigen geringeren Medikamentenverbrauch, weniger Fehltage und niedrigere Kosten. Trotzdem wollen die Grünen ein System infrage stellen, das jährlich gerade einmal 0,003 Prozent der GKV-Ausgaben betrifft – Symbolpolitik pur, die weder Geld spart noch Menschen hilft.
Besonders kritisiere ich im Offenen Brief den ideologischen Tunnelblick der Antragsteller: Während Länder wie die Schweiz, Indien oder sogar die USA Homöopathie wissenschaftlich fördern und in ihre Gesundheitssysteme integrieren, könnte eine grüne Politik den entgegengesetzten Weg einzuschlagen – den der Bevormundung und Spaltung.
Ich appelliere an den Parteivorstand, den Antrag zu überprüfen und nicht abzustimmen, bevor die Grünen ihre Glaubwürdigkeit in der Gesundheitspolitik verspielen. Denn eine Partei, die Vielfalt und Freiheit im Programm trägt, darf sich nicht an der Einschränkung medizinischer Wahlfreiheit beteiligen. Und wie ich höre, sind viele solcher Protestbriefe an den Vorstand unterwegs.
Den vollständigen Brief an den Grünen-Vorstand können Sie jetzt im Homoeopathiewatchblog.de nachlesen:
Offener Brief an die Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen
Betreff: Antrag zur Streichung der Homöopathie-Erstattung V-02 – Bitte um Überprüfung und Rücknahme
– 6 Argumente
Sehr geehrte Bundesvorsitzende,
mit großer Sorge verfolge ich als Journalist und Anwender homöopathischer Medizin den Antrag auf der kommenden Bundesdelegiertenkonferenz, über die vollständige Streichung der Homöopathie aus der Erstattung der gesetzlichen Krankenkassen abzustimmen. Der Antrag sieht außerdem die Abschaffung des Binnenkonsens vor, wodurch der Arzneimittelstatus entzogen und die Homöopathie aus der Apotheke verbannt werden würde.
Dieser Antrag ist inhaltlich nicht überzeugend, politisch riskant und gesundheitspolitisch kontraproduktiv.
Sehr geehrte Frau Brantner und sehr geehrter Herr Banaszak, hiermit möchte ich Sie bitten, den Antrag zu überprüfen und nicht zur Abstimmung zu bringen. Es folgen sechs Argumente, die Ihre Überprüfung unterstützen:
1. Wissenschaftlich verkürzt:
Die Begründung des Antrags beruht auf der Annahme, Homöopathie habe keine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirkung. Diese Aussage ist nicht haltbar. Ein systematisches Meta-Review aus dem Jahr 2023, veröffentlicht in Systematic Reviews, hat 180 klinische Studien ausgewertet. Das Ergebnis: In mehreren hochwertigen Analysen zeigte Homöopathie signifikant bessere Ergebnisse als Placebo. Auch Versorgungsforschung und Studien aus der ärztlichen Praxis belegen positive Effekte, einen geringeren Medikamentenverbrauch und eine höhere Patientenzufriedenheit.
2. Ökonomisch unbedeutend, aber symbolisch fatal:
Die gesamten Ausgaben der Krankenkassen für homöopathische Leistungen betragen lediglich 0,003 Prozent der GKV-Gesamtausgaben, also rund acht Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Arzneimittelausgaben der GKV liegen bei 55 Milliarden Euro – das entspricht dem 6.300-fachen der Ausgaben für Homöopathie. Die Summe für Homöopathie ist zwar gesundheitspolitisch irrelevant, ihre Streichung jedoch wäre ein fatales Symbol: Sie würde das Vertrauen vieler Patientinnen und Patienten in eine offene, patientenorientierte Gesundheitspolitik erschüttern und eine Gesellschaft weiter spalten, die Sie eigentlich zusammenführen wollen.
3. Internationale Erfahrungen zeigen: Integration funktioniert.
Andere Länder gehen deutlich pragmatischer mit Homöopathie um. In der Schweiz ist sie nach einem Volksentscheid mit 67 Prozent Zustimmung seit 2012 Teil der Grundversicherung. Dort wurde sie nach einer staatlichen Bewertung als wirksam, zweckmäßig und wirtschaftlich eingestuft. In Indien ist sie integraler Bestandteil des öffentlichen Gesundheitssystems – mit über 300.000 approbierten homöopathischen Ärztinnen und Ärzten. Und in den USA fördert das National Institute of Health Forschung zu komplementären Methoden mit einem Budget von mehr als 150 Millionen Dollar pro Jahr. Diese Beispiele zeigen: Fortschrittliche Gesundheitspolitik grenzt nicht aus, sondern führt evidenzbasiert zusammen.
4. Gesellschaftlich spaltend:
Laut aktuellen Umfragen befürwortet mehr als die Hälfte der Bevölkerung die Kostenerstattung homöopathischer Behandlungen. Viele nutzen sie auch ergänzend zur Schulmedizin. Sie schätzen die Kompetenz der Therapeutinnen und Therapeuten, die Wirksamkeit der Therapie und den Fokus auf Ganzheitlichkeit. Wenn die „grüne“ Politik nun signalisiert, diese Haltung sei „nicht wissenschaftlich genug“, entsteht Entfremdung – gerade bei denjenigen, die sich den Grünen bisher inhaltlich verbunden fühlen.
5. Strategisch kurzsichtig:
Mit einem solchen Antrag wird kein Problem gelöst, aber viel Vertrauen verspielt. Statt Symbolpolitik brauchen wir eine glaubwürdige Strategie, die den Fachkräftemangel, die Übermedikation, die Resistenzproblematik und die Defizite in der Prävention angeht. Studien zeigen, dass homöopathische Behandlungen den Antibiotikaeinsatz senken und dadurch sogar Kosten sparen können. Ein Ausschluss würde diese positiven Effekte gefährden.
6. Grüne Gesundheitspolitik heißt Wahlfreiheit, nicht Bevormundung.
Eine aufgeklärte Gesellschaft entsteht nicht durch Verbote, sondern durch Vertrauen in informierte Entscheidungen. Evidenzbasierte Medizin beruht auf drei Säulen: wissenschaftliche Daten, klinische Erfahrung und Patientenpräferenzen. Wer eine davon ausklammert, verlässt den Boden echter Evidenz.
Ich bitte Sie daher eindringlich, den Antrag zur Streichung der Homöopathie-Erstattung noch einmal kritisch zu prüfen und nicht zur Abstimmung zu bringen. Er schadet dem politischen Profil der Grünen, der Glaubwürdigkeit unserer Gesundheitspolitik und dem Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger in Ihre Partei.
Mit freundlichen Grüßen
Christian J. Becker
Dipl. oec. troph.
Journalist und Redakteur von Homoeopathiewatchblog.de , dem gesundheitspolitischen Blog zum Thema Homöopathie
PS.: Möchten Sie sich detaillierter über das Thema informieren, darf ich auf die 13-seitige Replik der Gesundheitsorganisation „weils hilft“ zum Antrag V-02 (kurz: Anti-Homöopathie-Antrag) hinweisen. In der Replik finden Sie Gegenargumente und Quellen: Link
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