Am 10. April feiern Menschen auf der ganzen Welt den 270. Geburtstag des Begründers der Homöopathie, Samuel Hahnemann. Seine Ideen und medizinischen Innovationen helfen und inspirieren Menschen bis heute. Eine sehr soziale Idee Hahnemanns war, dass Homöopathen allen Menschen helfen können, unabhängig von Geldbeutel oder Herkunft. In Erinnerung an seine frühen Jahre – er nannte sie einmal seine Hungerjahre – machte es sich Hahnemann in seinen letzten Lebensjahren zur Gewohnheit, viele Menschen mit kleinem Geldbeutel kostenlos oder gegen ein geringes Honorar zu behandeln.
Diesen sozialen Gedanken Hahnemanns verfolgt seit 25 Jahren die von der Heilpraktikerin Regina Mössner gegründete Initiative „Homöopathie in Aktion“ (HiA). Anlässlich des Hahnemann-Geburtstages habe ich mit ihr gesprochen. Mittlerweile beteiligen sich über 200 Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker an der Initiative. Eine von ihnen ist Martina Huber, die ich im zweiten Teil des Interviews zu ihrer Motivation und ihren Erfahrungen befragt habe.
Christian J. Becker: Was ist Homöopathie in Aktion und warum haben Sie die Initiative vor 25 Jahren gegründet?

Regina Mössner: Homöopathie in Aktion – kurz HiA – ist eine bundesweite Initiative, ein Netzwerk aus Therapeutinnen und Therapeuten, die Menschen in Notlagen ehrenamtlich homöopathisch behandelt.
Die Idee dazu kam Mitte der 90er Jahre: ich hörte von den unmenschlichen Gräueltaten in Tschetschenien und Aserbeidschan, vom Genozid in Ruanda, wo ein Psychotherapeut sagte: Es wird Jahrzehnte dauern, bis die Kindersoldaten ihre Traumata überwunden haben werden. Das hatte mich extrem schockiert, und ich dachte, wenn man doch dort homöopathisch unterstützen könnte – wir haben doch die Mittel für Schock, Panik, Verletzung. Dann hatte der Krieg im Balkan Millionen Geflüchtete nach Deutschland getrieben. Die Unterkünfte waren überfüllt, die zusätzlich bereitgestellten Container ebenfalls, und ganze Familien lebten oft in einem Zimmer – über Monate. Und jetzt muss man sich vorstellen, wie es einem geht, wenn man zu dieser Situation auch noch zusätzlich ein schweres Paket an Traumatisierung mitgebracht hat: Ängste bis hin zu Panikattacken, Depression, Schlaflosigkeit, verschiedenste psychosomatische Beschwerden und unerklärliche Schmerzen. Kinder, die „neben sich“ sind, nicht mehr schlafen, in ihrer Entwicklung zurückfallen. Als ich das hörte, war klar, jetzt muss ich etwas tun. Ich kontaktierte einige Kollegen und wir fingen an, zu behandeln. Heute wird HiA durch ca. 200 Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland getragen.
Christian J. Becker: Welchen Menschen hilft die HiA?
Regina Mössner: Etwa ein Jahr nach der Gründung entschieden wir uns, allen Menschen in Deutschland diese Hilfe anzubieten, also neben Geflüchteten auch Menschen, die damals Sozialhilfe (heute: Bürgergeld) empfingen.
Es ist uns ein großes Anliegen, dass gerade Menschen in sozialen Notlagen auch homöopathisch behandelt werden. Denn ihre Erkrankungen und ihre Lebenssituation hängen oft zusammen und können nicht durch reine Symptombehandlung gelöst werden. Da muss man auf einer anderen Ebene ansetzen. Und das ist mit der Homöopathie möglich.
Christian J. Becker: Was sind typische Erkrankungen Ihrer Patienten?
Regina Mössner: Die oben geschilderten Symptomatiken können bei allen Menschen auftreten, sind aber sehr gehäuft bei Menschen mit Fluchterfahrung zu sehen.
Bei unseren deutschen Mitbürgern sind es oft Folgen von Arbeitslosigkeit, Scheidung (es kommen viele Alleinerziehende mit ihren Kindern) oder anderen Einschnitten im Leben, manchmal schlimme familiäre Situationen von Kindheit an, die dazu führen, dass man nicht mehr „funktioniert“. Insgesamt kommen sehr häufig die verschiedensten Ausprägungen von Depression vor, aber auch Themen wie Burnout, Verwirrung und Messie-Syndrom, sowie die ganze Bandbreite körperlicher Dysfunktionen wie massive Rückenschmerzen, Migräne, Haarausfall oder Hormonstörungen und vieles mehr. Bei Kindern sind es oft Entwicklungsstörungen und Lernschwächen, meist als Folge psychischer Belastung.
Christian J. Becker: Können Sie zwei typische Geschichten von Behandelten schildern?
Regina Mössner: Einer unserer ersten Fälle von Geflüchteten war Jahic H., Anfang 20. Er hatte extrem abgenommen: 2m groß und wog unter 50kg, weil er nicht mehr essen konnte. Aus der Klinik wurde er entlassen, weil man nichts für ihn tun könne. Er war sehr schwach, trank nur Cola, rauchte ständig und konnte kaum sprechen.
Als er mühsam seine Vorgeschichte erzählte, wurde dies alles verständlich: Wie auch die Presse berichtet hatte, waren tausende bosnische Männer in einem Stadion in Srebenica eingesperrt worden, um sie umzubringen. Er und einige andere konnten fliehen, versteckten sich in Wäldern, wurden umzingelt, mit Granaten beschossen, wo sein bester Freund starb. Dann vermutlich Giftgas, er war ganz taumelig, schaffte es aber trotzdem bis Tuzla und dann bis München. Seitdem war er in Schockstarre.
Er war schon immer ein stiller, zurückgezogener, fleißiger Mensch.
Er erhielt NAT-m in LM-Potenzen, die ihn wieder ins Leben zurückholten. Er konnte wieder Essen, nahm zu an Gewicht, und seine Schwäche war weg. Er bekam Arbeit, konnte wieder lächeln. Dann kehrte er zurück nach Tuzla.
Von anderen hörte ich, es gehe ihm gut und er habe eine Freundin.
Behandlerin Uta Wagner
Die kleine Lina (Name geändert), Tochter einer jungen alleinerziehenden Mutter, einer ehemaligen Alkoholikerin, litt unter einer massiven Alkoholembryopathie und verweigerte seit der Geburt jegliche Nahrung. So wurde sie künstlich ernährt und war körperlich und geistig zurückgeblieben. Ich lernte das Mädchen im Alter von 1 Jahr durch die Pflegemutter kennen, bei der es untergebracht war. 3 Jahre konnte ich die Kleine begleiten, nach kurzer Zeit erbrach sie die Nahrung nicht mehr, die Ernährungs-Sonde konnte entfernt werden und das Kind begann, seine Entwicklung nachzuholen. Nach einem Jahr konnte es zur Mutter zurück, die ebenfalls eine Behandlung bei mir begann, um ihre Bulimie und Sucht in den Griff zu bekommen. Lina sprach sehr gut auf die homöopathischen Mittel an (Bar-c, Lac-c, Med, Puls). Als ich sie das letzte Mal sah, besuchte sie einen Förderkindergarten, war ein fröhliches, etwas hyperaktives Kind, das zwar nur langsam sprechen lernte, aber Bilder malte und sich aus eigenem Antrieb von mir mit einem Kuss verabschiedete. Das war mehr Danke als jeder Lohn!
Behandlerin: Almuth Becker-Wildenroth
Eine große Veränderung für Homöopathie in Aktion ergab sich 2015: Die „Homöopathen ohne Grenzen e. V.“, deren Schwerpunkt es war, die Homöopathie im Ausland dort zu lehren, wo sie gewünscht wird, hatten beschlossen, sich in dieser besonderen Situation (der erste große Flüchtlingsstrom kam in Deutschland an) nun auch im Inland therapeutisch einzusetzen. So fragten sie bei HiA an – und es kam zu einer wirkungsvollen Kooperation in dem Projekt „Homöopathie für Geflüchtete in Deutschland“, durch das an vielen Orten intensiv behandelt werden konnte. Dazu ein Bericht von Jutta Fritton, einer der besonders aktiven Kolleginnen in diesem Bereich:
Gleich nach der großen Flüchtlingswelle 2015 haben wir begonnen, geflüchtete Menschen – vorwiegend aus Syrien und Afghanistan – zu behandeln. Freundlicherweise wurde uns in einer der größten Unterkünfte in München ein Raum und sogar ein Warteraum zur Verfügung gestellt. Der Andrang war zu unserer Freude riesig und unerwartet, da ja Homöopathie für die meisten eine unbekannte Therapie war. Entsprechend groß war dann auch die Verwunderung oder gar Skepsis gegenüber den Kügelchen, die sie nun heilen sollten. Zum Glück hatten wir hervorragende und einfühlsame muttersprachliche Übersetzerinnen und Übersetzer, die viel zum beiderseitigen Verständnis beitrugen.
Die Traumata und schrecklichen Schicksale unserer neuen Patientinnen und Patienten waren manchmal auch für uns schwer zu ertragen, soviel Leid und Trauer:
Eltern, deren Kinder auf der Flucht gestorben waren, Folter, Gefängnis, Armut, Krankheit, Ausweglosigkeit. Ausdruck dieser erlittenen Qualen waren neben der vielen Wunden (von den teils gefährlichen und langen Fluchtwegen) vielfache psychosomatische Beschwerden. Vorwiegend Schlaflosigkeit, Ängste, Alpträume, Depressionen, diffuse Schmerzen und sehr viele Magenprobleme, die nur teilweise von der ihnen fremden Kost herrührten. Sieben Jahre lang haben wir viele Geflüchtete homöopathisch begleiten dürfen. Viele von ihnen haben eine schnelle körperliche Besserung erfahren und konnten auch ihre Traumatisierung besser verarbeiten. Das empfanden und empfinden meine Kolleginnen und ich als ganz großes Glück.
Vor mittlerweile 3 Jahren kam es zu dem Angriff auf die Ukraine, die Folge: erneut landen viele Geflüchtete in Deutschland. Hier war es besonders in Hamburg möglich, in großem Maße die Menschen zu erreichen und zu behandeln, die vor Krieg und Hunger flohen, es waren vor allem Frauen mit ihren Kindern. Ralf Burmeister und seine Kolleginnen sind dort immer noch beeindruckend aktiv.
Christian J. Becker: Welche Resonanz erhalten Sie von Hilfesuchenden, welche von den behandelnden HomöopathInnen?
Regina Mössner: Hier eine Auswahl an Rückmeldungen von HiA-PatientInnen:
„Ich hätte mir als Arbeitslose so eine ganzheitliche Behandlung nie leisten können. Heute sieht mein Leben völlig anders aus. Ich hatte die Kraft, einen neuen Anfang zu starten. Deshalb bin ich dem Projekt Homöopathie in Aktion und den Therapeuten, die sich dafür einsetzen, sehr dankbar. “ (Die Patientin war durch schwere Fibromyalgie und eine Vielzahl anderer Beschwerden arbeitslos geworden.)
„Ich bedanke mich, weil ich die Kraft gefunden habe, weiterzukämpfen für mich und mein Kind.“
Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, hätte ich die homöopathische Unterstützung nicht gehabt. Unser Leben war unerträglich! Heute bin ich so stabil, dass ich den Alltag bewältigen kann und wieder zuversichtlich in die Zukunft schauen kann. Vielen, vielen Dank!“ (Patientin mit Panikattacken, konnte nicht mehr ohne Begleitung aus dem Haus gehen)
HiA-KollegInnen haben uns Sätze wie diese geschrieben:
„Ich bin immer wieder sehr froh über die unbürokratische Möglichkeit, Menschen homöopathisch unterstützen zu können. Es ist ein so wertvoller Beitrag auf dem Lebensweg der Menschen, und die Tatsache, dass Leid und Mittellosigkeit nicht in unendlichen Formalitäten „bewiesen“ werden müssen, gibt ihnen ein Gefühl von Wertschätzung und Würde – es ist so ganz anders als vieles, was sie sonst erleben.“
„Die Corona-Zeit zeigt immer noch Nachwirkungen und große Verunsicherungen vor allem bei psychisch erkrankten Menschen. Umso wichtiger war es für sie, eine verlässliche Anlaufstelle zu haben, wenn Ängste und körperliche Beschwerden für sie nicht einzuordnen waren. Die Freude und Dankbarkeit für die unkomplizierte Möglichkeit, Unterstützung zu bekommen, ist immer wieder sehr berührend. Ganz herzlichen Dank, dass dies nun seit so vielen Jahren möglich ist.“ (2023)
Christian J. Becker: Wie können Menschen Kontakt zur HiA aufnehmen (Hilfesuchende und Therapeuten)
Regina Mössner: Ganz einfach über das Kontaktformular auf unserer Website:
www.homoeopathie-in-aktion.de/kontakt
oder Regina Mössner 089-6011563
oder Martina Huber 08751 – 869 834 oder 0170 – 44 60099
wir vermitteln die PatientInnen dann zu Kolleginnen oder Kollegen in der Nähe – soweit das möglich ist.
Mit den interessierten KollegInnen führen wir ein ausführliches Info-Gespräch. Wenn sie die Voraussetzungen erfüllen und sie sich zum Mitarbeiten entschieden haben, werden sie in unsere interne Therapeutenliste aufgenommen, sodass wir auch sie vermitteln können.
Christian J. Becker: Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft Ihrer Initiative?
Regina Mössner: Unser großer Wunsch ist, dass HiA irgendwann nicht mehr nötig ist, weil die Gesellschaft verstanden hat, dass Homöopathie eine großartige, wirksame und darüber hinaus kostengünstige Heilmethode ist und in das Gesundheitssystem integriert werden muss – für alle Menschen.
Solange das nicht realisiert ist, wünschen wir uns, dass wir diese Hilfe anbieten können: dass die Menschen zu HiA finden, dass wir ein gut arbeitendes Orga-Team und genügend SpenderInnen haben, die diese Arbeit finanziell unterstützen. Und ganz besonders, dass wir genügend ehrenamtlich arbeitende HomöopathInnen haben.
Dafür suchen wir im Moment Verstärkung und freuen uns sehr, wenn sich Kolleginnen und Kollegen bei uns melden!
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Eine der behandelnden Homöopathinnen und Heilpraktikerin der Initiative „Homöopathie in Aktion“ ist Martina Huber. Mit ihr sprach ich über ihre Motivation und Erfahrung:
Christian J. Becker: Warum engagieren Sie sich als Heilpraktikerin und Homöopathin bei der Organisation Homöopathie in Aktion für Menschen in Not?

Martina Huber: Mein Engagement ist für mich eine Herzensangelegenheit. In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, wie wertvoll homöopathische Begleitung für Menschen sein kann – nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf seelischer Ebene. Doch leider ist es so, dass viele, die von Bürgergeld leben oder mit einer kleinen Rente auskommen müssen, sich diese Form der Unterstützung nicht leisten können. Obwohl Homöopathie im Vergleich zu vielen anderen Behandlungsformen kostengünstig ist, wird sie von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen.
Das empfinde ich als ungerecht. Gerade Menschen, die ohnehin unter der Last von Krankheit, Sorgen und oft auch Einsamkeit stehen, bräuchten diese sanfte Form der Heilung am dringendsten. Für mich bedeutet Heilpraktikerin zu sein mehr, als nur Symptome zu behandeln. Es bedeutet, Menschen wirklich zu begegnen – ihnen zuzuhören, sie ernst zu nehmen und sie in ihrer Ganzheit zu unterstützen.
Mit meinem Einsatz bei Homöopathie in Aktion möchte ich dazu beitragen, dass diese Hilfe nicht am Geld scheitert.
Christian J. Becker: Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den behandelten Patienten?
Martina Huber: Die Rückmeldungen, die ich von den Menschen erhalte, sind oft tief bewegend. Viele erzählen, dass sie sich nach der Behandlung oder auch einfach nach einem Gespräch leichter fühlen – als hätten sie ein Stück ihrer Last abgeben dürfen. Manche berichten von körperlicher Besserung, weniger Schmerzen oder mehr Energie, während andere beschreiben, dass sie sich seelisch stabiler und gestärkter fühlen.
Besonders berührt mich, wenn Menschen sagen: „Endlich hat mir mal jemand wirklich zugehört.“ In einer Welt, in der viele sich unsichtbar fühlen, kann schon das Gefühl, gesehen und ernst genommen zu werden, zur Heilung beitragen. Diese Gespräche und Begegnungen geben den Menschen oft Mut und Vertrauen in ihren eigenen Körper zurück.
Für mich ist es ein Geschenk, Teil dieses Prozesses zu sein und miterleben zu dürfen, wie Menschen sich öffnen und aufblühen. Es zeigt mir immer wieder, wie wertvoll und wichtig diese Arbeit ist!
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