Nach dem Grünen-Parteitag habe ich einen Aufruf veröffentlicht, damit die Homöopathie-Gemeinschaft diese Niederlage analysieren kann, um daraus zu lernen. Mittlerweile haben 140 Menschen kommentiert oder mir mehrheitlich eine E-Mail geschickt. Ich werde aus diesen Einschätzungen der Leser eine Analyse erstellen, die Sie hier im Blog werden lesen können.
Ein Kommentar sticht aus meiner Sicht heraus, weil er nicht aus unserer „deutschen Blase“ kommt. Er stammt von einer Ärztin für Homöopathie aus Indien, die seit zwei Jahren in Deutschland lebt, arbeitet, und im Meißner Hahnemannzentrum aktiv ist. Da Frau Dr. Loya im Heilpraktiker-Newsblog kommentiert hat, möchte ich den interessanten Kommentar auch im Homoeopathiewatchblog veröffentlichen. Denn manchmal hilft Expertise von Homöopathie-Freunden aus anderen Ländern.
Kommentar von Dr. Yogita Loya, Homöopathische Ärztin (Indien), Beisitzerin, verantwortlich für Homöopathie, Meißner Hahnemannzentrum, Meißen, Deutschland.
Als homöopathische Ärztin aus Indien, die seit zwei Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, sehe ich die Situation aus einer doppelten Perspektive, die das Potenzial und die Relevanz der Homöopathie verdeutlicht.
Ich möchte die von Ihnen vorgeschlagenen Leitfragen beantworten und meine Einschätzungen teilen.
1. Wie schätzen Sie die politische Lage ein?
Die politische Entwicklung in Deutschland, insbesondere der Beschluss der Grünen, empfinde ich als zutiefst enttäuschend und als einen Rückschritt. Deutschland ist das Mutterland der Homöopathie, und es ist paradox, dass gerade hier eine politische Partei, die oft auf Vielfalt und Nachhaltigkeit Wert legt, eine Form der Heilkunde diskreditiert, die seit über 200 Jahren praktiziert wird.
– Absehbarkeit: Für mich war dies in dieser Schärfe nicht absehbar. In Indien erleben wir eine staatliche Förderung der Homöopathie, die sie als gleichberechtigte Säule des Gesundheitssystems neben der Schulmedizin etabliert. Die deutsche Haltung wirkt im internationalen Vergleich isoliert und rückständig. Es scheint, als hätte die Partei eine neue, ideologisch getriebene Richtung eingeschlagen, die wissenschaftliche und historische Realitäten ignoriert, anstatt Signale übersehen zu haben.
2. Welche Risiken sehen Sie für Ihren Alltag?
Der Beschluss, sollte er Gesetz werden, bedroht nicht nur meinen Berufsalltag, sondern das Selbstverständnis der integrativen Medizin in Deutschland.
– Risiken für die Praxis: In meiner indischen Praxis behandle ich alle Patientengruppen und Krankheitsbilder, einschließlich Infektionskrankheiten, mit homöopathischen und schulmedizinischen Methoden – dies ist in Indien rechtlich verankert. Die Aberkennung der Homöopathie als Arzneimittel in Deutschland würde meine therapeutische Freiheit massiv einschränken und die Versorgungssicherheit der Patienten gefährden, die eine nebenwirkungsarme Alternative suchen.
– Historischer Schaden: Ich befürchte, dass dies einen historischen Schaden für Deutschlands Gesundheitskultur darstellt. Ein Land, das seine eigene Heilkunde nicht unterstützt und keine staatlich geförderte Forschung oder fundierte universitäre Ausbildung für Homöopathie etabliert, verliert an internationaler Glaubwürdigkeit und Respekt für seine eigene Geschichte und Kultur.
3. Wie blicken Sie auf die Verbände der Homöopathie?
Die Rolle der Verbände muss ehrlicher und kritischer betrachtet werden.
– Fehlende Sichtbarkeit und Proaktivität: Es scheint, als hätten die Verbände die politische Gefahr unterschätzt und waren in der öffentlichen Debatte nicht sichtbar oder laut genug, um das hohe Niveau der klinischen Praxis und die Forschungsergebnisse aus anderen Ländern (z.B. Indien, Brasilien, Schweiz) adäquat darzustellen.
– Wunsch nach Struktur: Es fehlt an einer schlagkräftigen, zentral koordinierten Struktur, die proaktiv und auf wissenschaftlicher Ebene agiert, um Forschungsergebnisse zu bündeln und die Homöopathie als evidenzbasierte Option darzustellen. Es darf nicht nur um das „Ob“ der Homöopathie gehen, sondern um die Qualität und Integration ihrer Anwendung.
4. Wie beurteilen Sie die Arbeit der aktiven Organisationen und Medien?
Die Arbeit der Aktiven ist wichtig, aber es mangelt an einer überzeugenden gesamtgesellschaftlichen Wirkung.
– Defensive Haltung: Die Kommunikation wirkt oft zu defensiv und richtet sich an die bereits überzeugte Gemeinschaft, anstatt eine breite, öffentliche Aufklärungsarbeit zu leisten, die auch politische Entscheidungsträger und kritische Stimmen erreicht.
– Fokus auf Forschung: Es muss ein stärkerer Fokus auf die internationalen Forschungserfolge und die klinische Wirksamkeit in Ländern mit staatlich integrierter Homöopathie gelegt werden. Die Botschaft muss sein: Homöopathie ist weltweit Teil der Primärversorgung.
5. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Meine Wünsche für die Zukunft der Homöopathie in Deutschland sind klar und ambitioniert:
* Staatliche Anerkennung und Forschung: Die Regierung muss ihrer größten Verantwortung, der Gesundheit der Bevölkerung, nachkommen. Dies bedeutet, staatlich geförderte Forschung und universitäre Lehrstühle für Homöopathie zu etablieren, um die Heilkunde auf eine moderne, wissenschaftliche Basis zu stellen.
* Proaktive, evidenzbasierte Kommunikation: Die Homöopathie-Gemeinschaft muss eine neue Strategie der Aufklärung verfolgen, die nicht nur auf Tradition, sondern auf internationale klinische Daten und die Vermeidung von Nebenwirkungen durch chemische Medikamente fokussiert. Wir müssen deutlich machen, dass chemische Medizin oft nur Krankheiten unterdrückt und nicht heilt.
* Gemeinsames Handeln: Jeder Einzelne muss seinen Beitrag leisten, indem er seine positiven Erfahrungen sachlich teilt. Die Verbände müssen sich neu strukturieren und eine einzige, starke Stimme für die Homöopathie in Deutschland schaffen, die den Kampf des Begründers Samuel Hahnemanns in seinem eigenen Heimatland nach 200 Jahren erfolgreich beendet.
Dieser Beschluss ist schmerzhaft, aber er muss als Weckruf dienen. Wir kämpfen heute denselben Kampf um die Anerkennung, den Dr. Hahnemann vor 200 Jahren führen musste. Jetzt ist es an der Zeit, mit größerer Stärke, Professionalität und internationaler Evidenz entgegenzutreten.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Yogita Loya, Homöopathische Ärztin (Indien), Beisitzerin, verantwortlich für Homöopathie
Meißner Hahnemannzentrum, Meißen, Deutschland.
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